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Die RS/6000 soll AIX die Tür zum Unix-Markt öffnen

Computerwoche 06.04.1990


Nach vielen verschobenen Ankündigungen sitzt nun auch die IBM in den Unix-Startlöchern. Unter immensem Medienrummel hat sie ihre Workstation-Reihe RS/6000 und AIX 3.0 vorgestellt - keine Überraschung zu einem Zeitpunkt, an dem kein Anbieter mehr ohne dieses offene Betriebssystem auskommt. Doch wenn der Einsteiger Big Blue heißt, ist nichts wie sonst. Zwar rangieren die Armonker im Unix-Geschäft mit ein bis zwei Prozent bisher unter "ferner liefen", trotzdem kursieren bereits wildeste Gerüchte. "Werden sie bald auch diesen Markt dominieren oder ist das Engagement nur ein kurzfristiger Schachzug, um den Markt durcheinander zu wirbeln?" fragen sich Anhänger wie Gegner der IBM.

"Die IBM will einen Großangriff auf den Unix-Markt starten", wertet Dieter Moldrings, zuständig für Application Management bei der IBM-Anwendervereinigung Guide Deutschland, die RS/6000-Ankündigungen. Thomas Garmhausen, Geschäftsführer des Kölner Softwarehauses Garmhausen und Partner GmbH, hält sie dagegen wegen der möglichen Konkurrenz zu IBMs bisher favorisiertem SAA-Konzept für "doppeldeutig und halbherzig". Eingeschworene Unix-Anhänger wie Alfred Heuser, EDV-Leiter der Bilfinger & Berger Bauaktiengesellschaft in Mannheim, tun sich weiterhin schwer, in IBM nicht mehr nur den Vetreter proprietärer Systeme zu sehen: "Wir versuchen Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit der Unix-Politik von IBM zu ziehen, sind dabei allerdings skeptisch. Sofern hinter dem Unix-Engagement eine Strategie liegt dann wohl nur die, sich ein Stück vom Unix-Kuchen zu holen." Trotz seiner Vorbehalte findet Heuser die neuen RISC-Rechner durchaus attraktiv besonders im Hinblick auf eine mögliche Verbindung von Unix mit der blauen Großrechner-Welt, Das sei mit IBM-eigenen Produkten sicher besser zu verwirklichen als mit Systemen anderer Hersteller. Vor allem aber lockt das Preis-Leistungs-Verhältnis, das IBM-Vertriebschef Bernhard Dorn als "beispiellos" bezeichnet.

In puncto Marktaufbereitung haben sich die Armonker tatsächlich einiges einfallen lassen, um von ihren etwa ein bis zwei Prozent Unix-Marktanteilen und den knapp vier Prozent im Workstation-Geschäft wegzukommen. AIX spielt dabei jedoch kaum eine Rolle. So räumt Moldrings zwar ein, daß die RS/6000 mit einem Einstiegspreis von knapp 18000 Mark ein aggressives Angebot sei, nennt aber auch die Gründe für diese Politik: "Das Unix-Derivat AIX soll über die Attraktivität der Workstation in den eigentlich schon aufgeteilten Markt gedrückt werden." Obwohl es aus der Sicht der Anwender kaum wünschenswert erscheint, werde die IBM damit vermutlich Erfolg haben. Dafür spricht laut Moldrings nicht nur das Preis-Leistungs-Verhältnis von unter 1000 Mark pro MIPS, sondern auch die Positionierung gegen Sun Microsystems, den Hauptkonkurrenten im Workstation-Markt: "Um eine große Verbreitung des Rechners zu erreichen und die Softwerker zur Programmentwicklung zu animieren, will IBM das Chip-Set lizenzieren, Sun bleibt davon allerdings ausgeschlossen."

Auch das Argument von Axel Kropp, einem Sprecher der Oracle GmbH, der meint, daß den IBM-VBs sowohl das Engagement als auch die Erfahrung für das AIX-Geschäft fehle, sticht nicht mehr. Bis Ende dieses Jahres will Big Blue nämlich über 200 Vertriebspartner für diesen Bereich gewinnen. Flankiert werden diese Maßnahmen durch das Versprechen der IBM, die RS/6000 an die offene Unix-Welt anzubinden und zudem Datenverbindungen zu SAA-Systemen zu schaffen. Damit sollen nicht nur die eingefleischten Unix-Anhänger gewonnen, sondern auch jene Big-Blue-Kunden bei der Stange gehalten werden, die angefangen haben, nach offenen Systemen zu schielen.

Doch die Anwender bleiben mißtrauisch. Kein Wunder, wird doch dem endlich auf SAA eingestimmten User plötzlich eine Unix-Alternative präsentiert. So scheint die RS/6000 geradezu gegen die AS/400-Rechner positioniert zu sein. Viele Anwender wollen allerdings nicht glauben, daß IBM sich selbst mit AIX und SAA Konkurrenz machen will. Um diesen Widerspruch aufzulösen, wünschen sie sich daher die Einbildung von AIX in SAA.

Hier steht Guide-Sprecher Moldrings für viele Anwender: "Ich glaube nicht, daß sich das Unix-Engagement gegen SAA richtet, vielmehr versucht IBM, den Markt auch im Unix-Bereich zu dominieren. Durch die Einbeziehung von AIX erhielte man eine quasi-offene SAA-Unix-Umgebung. Eine Aussicht, die mich durchaus besorgt stimmt. Anzustreben wäre ein Standard, der auch über der IBM steht." Als Unix-Anwender sieht DV-Leiter Heuser die Situation in einem günstigeren Licht. Für ihn ist klar, "daß dieser Unix-Aufwind zwangsläufig eine Flaute für die proprietären Systeme zur Folge hat." Außerdem sei die von IBM sogenannte Interoperabilität" zwischen Unix und SAA immer noch ein Papiertiger ebenso wie SAA selbst. Er würde zwar eine solche Annäherung begrüßen, glaubt aber nicht, daß IBM daran ein ähnlich großes Interesse hat wie die Anwender oder die Softwarehäuser.

Hier stellt sich die Frage, wie denn ein SAA-Konzept unter Einschluß von Unix aussehen könnte. James Martin von der gleichnamigen Unternehmensberatung entwirft dazu das Bild einer DV-Landschaft, bei der die Midrange-Rechner - inklusive AS/400 - auf der Strecke bleiben. Im Mainframe-Bereich sieht er für Unix keinen Platz, dafür werde das Betriebsystem die Workstations und High-end-PCs dominieren. Das Ende der mittleren Datentechnik begründet der durchaus IBM-nahe Unternehmensberater mit einem scharfen Verdrängungswettbewerb im Unix- und Workstation-Markt, den IBM mit seiner RS/6000-Ankündigung weiter verschärft habe. Hier ist er sich mit dem Guide-Vetreter Moldrings einig. Digital Equipment hat bereits reagiert und tritt mit seiner Rechnerreihe Decstation 5000 gegen die RS/6000 an. Für Philippe de Marcillac, Direktor European Computer Industrie Service beim Marktforschungs-Institut Dataquest, steht der Gewinner bereits fest: Er heißt IBM.

Den Ausschlag für einen möglichen Erfolg der RS/6000 dürften jedoch wie immer die verfügbarem Anwendungen geben. Vielleicht hat Steve Schwartz, General Manager der IBM für Midrange-Rechner, ja recht, wenn er behauptet, daß die AS/400 weiterhin der bessere Rechner für kommerzielle Anwendungen sei, weil für ihn die weitaus größere Menge an entsprechender Software zu Verfügung stünde. Für den AIX-Rechner fehlt es dagegen noch an Software, auch wenn inzwischen rund 200 Unternehmen versprochen haben, ihre Produkte auf AIX zu portieren. Der Konkurrent Hewlett-Packard soll beispielsweise derzeit bereits über 3000 erprobte Standardanwendungen verfügen.

Mit Engpässen rechnet Heuser von Bilfinger & Berger vor allem bei Tools, die von Standard-Unix-Anwendungen nicht abgedeckt werden. Der Münchner Unternehmensberater Eitel Dignatz erwartet darüber hinaus, daß IBM bei Unix-Portierungen erst nach den großen Konkurrenten Sun, DEC und HP bedient werde. Schließlich orientierten sich die Anbieter danach, wo bereits jetzt große Absatzmöglichkeiten bestehen. Aus diesen Gründen urteilt Mario Pelleschi, Geschäftsführer von Computer Associates: "Wären die neuen RISC-Systeme nicht von Big Blue, dann hätten sie wohl kaum eine Chance." IBM-Vertriebsschef Dorn erhofft sich für die kommenden Jahre allerdings einen Marktanteil bei Unix-Workstations von immerhin 30 Prozent, oder wie Herbert Kellner, Referatsleiter für EDV-Organisation beim Deutschen Patentamt, München, es ausdrückt: "IBM hat gemerkt, daß der Unix-Zug voll unter Dampf steht und will, jetzt hinten aufspringen, um dann die Lok zu übernehmen, ähnlich wie das mit den PCs gelungen ist." Nur professionelle Mitbewerber, wie Unix-Spezialist Thomas Garmhausen und Jesse Young, Vertriebsleiter der deutschen SCO-Niederlassung, zweifeln noch am Unix-Engagement der IBM.

Unabhängig davon, ob Dorn seine Vorgaben erfüllen kann oder nicht, haben die AIX-Bestrebungen seines Unternehmens Unix auch noch die letzten Türen geöffnet. Dazu der Guide-Sprecher Moldrings: "IBM hat mit seinem Unix-Engagement die Investitionen der Anwender in Gang gebracht. Hier greift die berühmte IBM-Hörigkeit. Positiver sieht DV-Leiter Heuser die Folgen des Unix-Engagements: "IBM hat - vermutlich unabsichtlich - geholfen, Unix durchzusetzen. Bisher konnte sich die Bedeutung dieses Betriebssystems noch nicht so recht in den Installationszahlen niederschlagen. Viele haben gewartet, wie sich IBM hier verhält. Nun, wo das Unternehmen sagt, daß es Unix wirklich ernst nimmt, hilft das natürlich dem Betriebssystem."

Eine erstaunlich geringe Rolle in der Diskussion um den Eintritt der IBM ins Unix-Geschäft spielt AIX 3.0. Anders als bei den Produkten der Open Software Foundation (OSF) und von AT&T gibt es hier keine Absichtserklärungen in Richtung Mach-Kernel und Multiprocessing. Trotzdem, so Moldrings, stellt sich IBM damit keineswegs ins technologische Abseits. Vielmehr vertraue man darauf, daß sich das Betriebssystem über den Rechner verkaufe. Außerdem ist die IBM nach wie vor Mitglied der OSF, und Paul Wahl, Europa-Direktor dieser Organisation, zitiert Big Blue mit dem Versprechen, das Unix-Derivat OSF/1 auch auf den RISC-Rechnern mit dem Power-Chip einzusetzen. Technische Hürden gebe es dabei nicht.

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